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Gebietsbetreuung

Naturwaldreservat Rohrachschlucht

Seit 2018 ist auf einem Grundstück des BUND Naturschutz mit 11,3 ha im Naturschutz- und Natura-2000-Gebiet Rohrachschlucht ein Naturwaldreservat ausgewiesen.

Nach dem Ankauf von angrenzenden 0,7 ha Wald hat der BN die Erweiterung des Naturwaldreservates beantragt.

Die Naturnahen Wälder der Tobel:

Sie prägen das Landschaftsbild, sie bieten unzähligen Tier-und Pflanzenarten einen Lebensraum und sie schützen vor Lawinen, Muren, Erosion: Wälder. Einen besonderen Stellenwert hat beispielsweise der Tobelwald in der Rohrachschlucht, sagt Isolde Miller, Gebietsbetreuerin vom Bund Naturschutz. Das Gebiet sei zwar nicht groß, hat aber den zusätzlichen Schutz verdient. Die BN-eigenen Grundstücke dort sind bereits auf ca. 11 ha als Naturwaldreservat ausgewiesen.

Die Tobelwälder im Westallgäu sind etwas Besonderes – allein aus geologischer und biologischer Sicht. Die tief eingeschnittenen Bachtäler zeigen viele Gesteinsschichten und haben auch eine sehr artenreiche Waldstruktur. Egal ob im Rohrach, im Kesselbachtobel, im Eistobel oder am Ellhofer Tobelbach: Hier wachsen viele Laubbäume wie Buchen oder Bergahorn. Anders als in manchen Wirtschaftswäldern ist beim natürlichen Vorkommen die Tanne – und nicht die Fichte – vorherrschendes Nadelholz. Und diese Baume haben eine wichtige Funktion: Sie sind Tiefwurzler und halten so den Boden fest. Denn durch Bäche und Flüsse, die einst die Tobel mit geformt haben, sind die Gesteinsschichten immer in Bewegung. Da die Flächen im Rohrach südexponiert sind und damit eine eigenes Mikroklima besitzen, bieten sie vielen Vögeln, Käfern und anderen Tieren einen idealen Lebensraum. Bis auf eine Art leben hier alle in Deutschland vorkommenden Spechtarten. Durch die steile Lage des Waldes und umgestürzte Bäume kommt Licht bis auf den Boden. So gibt es auch eine sehr artenreiche Krautschicht.

Zusammen mit Umweltminister Marcel Huber hat Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz in Bayern (BN), das Naturwaldreservat Rohrachschlucht auf BN-eigenen Flächen am 19.9.2018 offiziell ausgewiesen. Das Schutzgebiet ist das 165. Naturwaldreservat in Bayern. "Wir wollen damit vom BN auch auf eigenen Flächen dafür werben, dass es in Bayern wieder mehr Naturwälder gibt", so Martin Geilhufe. "Hier darf sich ein Urwald vor der Haustüre entwickeln", so Ralf Straußberger, BN-Waldreferent, "eine Waldwildnis zum Schutz der Artenvielfalt in den Wäldern". In Naturwaldreservaten ruht die forstliche Holznutzung und die Bäume dürfen in diesen Naturwäldern richtig alt werden und in Würde sterben, ohne dass der Mensch eingreift.
"Wir sind von der BN-Kreisgruppe Lindau sehr stolz, dass wir auf BN-eigenen Flächen das erste Naturwaldreservat im Landkreis Lindau und das erste Naturwaldreservat im Privatwald in Schwaben schützen können", freute sich Erich Jörg, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Lindau.

Die BN-Kreisgruppe Lindau hat im Rahmen der vom Bayerischen Natur-schutzfonds geförderten Gebietsbetreuung Moore, Tobel und Bodensee-ufer seit 2015 daran gearbeitet dieses Schutzgebiet einzurichten. "Wir danken der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft, den Naturschutz- und Forstbehörden für die Unterstützung bei der Ausweisung", so Gebietsbetreuerin Isolde Miller. Die 9 Flurstücke der 11 Hektar großen Fläche wurden in der Zeit von 1973 bis 1980 vom BN angekauft. Wegen des steilen Geländes wurde der Schluchtwald nur sehr extensiv bewirtschaftet.
Das Naturwaldreservat liegt im 177 ha großen Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet "Rohrachschlucht", das als landesweit bedeutsam eingestuft wird. Die sehr naturnahen Schluchtwälder sind durch vielfältige Standortbedingungen geprägt und weisen viele Waldgesellschaften und eine hohe Vielfalt an Tier-, Pilz- und Pflanzenarten auf. Unter den Baumarten dominieren Tannen, Buchen und Fichten, außerdem ist die seltene Eibe mit alten und großen Exemplaren vertreten. In dem Gebiet sind allein sieben Spechtarten anzutreffen, darunter der sehr seltene Weißrückenspecht und der Dreize-henspecht. Eine Erfassung xylobionter Käferarten in den Allgäuer Tobel-wäldern erbrachte 2017 für das Naturschutzgebiet Rohrachschlucht die meisten Individuen, Arten und gefährdeten Arten. Insgesamt wurden 111 Arten nachgewiesen, darunter zwei vom Aussterben bedrohte Käferarten. Der BUND Naturschutz mit der Gebietsbetreuung wird in den nächsten Jahren unter Federführung der Regierung von Schwaben weitere Artengruppen erforschen.

Naturwaldreservate gelten als Perlen für die Waldartenvielfalt. Hier können so viel Totholz und so viele Strukturen im Laufe der Jahrzehnte entstehen, wie es sogenannte Urwaldarten zum Überleben benötigen. Diese Waldarten sind sehr selten, weil sie sehr hohe Ansprüche an ihren Waldlebensraum stellen. Wer solche Arten erhalten will, muss auf großen Waldflächen 50 bis 100 Festmeter Totholz pro Hektar zur Verfügung stellen. Dies kann aber im Wirtschaftswald, auch wenn er naturnah bewirtschaftet wird, wegen der Holznutzung nicht gelingen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Kreisgruppe, das mit Mitteln der Glücksspirale gefördert wurde, wurden im Naturwaldreservat bereits deutlich über 70 m³ Totholz pro Hektar festgestellt.

Im gesamten Regierungsbezirk Schwaben gibt es gesetzlich geschützte Naturwälder nur auf 0,25 Prozent der Waldfläche, und nur auf 0,59 Prozent der öffentlichen Waldfläche. Bayernweit sind nur ca. 3 Prozent der öffentlichen Waldfläche so konsequent geschützt. Nach Ansicht des BN muss das sehr lückige Netz an Naturwäldern in Bayern weiterentwickelt werden und um viele kleine, etliche mittelgroße und einige große Naturwaldgebiete ergänzt werden. So gibt es z.B. neben den beiden Nationalparken kein zusammenhängendes Naturwaldgebiet über 500 Hektar in ganz Bayern. Der BN hat deshalb ein Naturwaldverbundkonzept vorgelegt und appelliert an die Forstverwaltung und die Bayerischen Staatsforsten zusammen mit der Umweltverwaltung naturschutzfachlich fundierte Konzepte vorzulegen, um diese Defizite zu beheben.